GOLDSTADT PFORZHEIM
Historie seit über 250 Jahren
Im Jahr 1767 legte Markgraf Karl Friedrich von Baden in Pforzheim den Grundstein zur Schmuck- und Uhrenindustrie in Pforzheim. Der aufgeklärte Fürst gestattete mit dem Edikt vom 06. April 1767 dem Franzosen Jean Francois Autran die Errichtung einer Taschenuhrenfabrik im Pforzheimer Waisenhaus am Enzufer. Noch im gleichen Jahr folgte die Erlaubnis zur Erweiterung in eine Schmuck- und feinen Stahlwarenfabrik.
Der Grundstein für die Entwicklung Pforzheims zur „Goldstadt“ war gelegt.
Nur ein Jahr später war der Markgraf Taufpate der wohl älteste Berufsschule der Welt: Die Golschmiedeschule mit Uhrmacherschule wurde 1768 gegründet, um den Bedarf an ausgebildetem Berufsnachwuchs zu decken, den die Lateinschulen und Universitäten nicht befriedigen konnten.
Bis heute ist die Schule an der St.-Georgen-Steige europaweit einzigartig. Unter einem Dach vereint sie eine Berufsschule, Berufsfachschulen für Goldschmiede und für Uhrmacher, eine Meisterschule für Goldschmiede und Graveure, ein Berufskolleg für Design, Schmuck und Gerät, ein Berufskolleg für Produktdesign sowie eine Fachschule für Gestaltung im Bereich Schmuck und Gerät.
Unabhängig von der Schulform gibt es ein gemeinsames Ziel: die Sicherung der fachspezifischen Aus- und Weiterbildung des Nachwuchses für die Schmuck- und Uhrenbranche. Dabei legen die Pforzheimer ein besonderes Augenmerk darauf, sowohl handwerklich-technische als auch kreativ-gestalterische Fähigkeiten umfassend zu vermitteln und zu fördern.
Das 1988 gegründete Berufskollegs für Design, Schmuck und Gerät rückt neben der handwerklichen auch die gestalterische Ausbildung verstärkt in den Fokus. Den Ausschlag für eine Erweiterung des Bildungsangebots gab die seit den 60er-Jahren entstandene, von der Kunst beeinflusste Schmuckavantgarde.
Fast 500 junge Leute aus aller Welt lernen dort traditionelle deutsche Handwerkskunst. Um Jobs müssten sich die Nachwuchstalente keine Sorgen machen. Gerade Goldschmiede und Uhrmacher werden heute wieder händeringend gesucht – und zwar weltweit.
Schon kurz nach der hoheitlichen Gründung der Uhren- und Schmuckmanufaktur sorgten privatwirtschaftliche Initiativen für Expansion: Pforzheim wurde so zur „bedeutendsten Fabrikstadt der Markgrafschaft Baden“. Voller Respekt sprach man im Ausland auch von „Klein-Genf“. Pforzheim als Verkehrsknotenpunkt günstig zwischen den Achsen Prag-Paris und Frankfurt-Ulm gelegen nahm einen raschen Aufschwung und belieferte das nahe und ferne Ausland mit Schmuckwaren.
Noch 1913 – damals zählte Pforzheim 75.000 Einwohner, waren in der Schmuck- und Uhrenindustrie fast 37.500 Personen beschäftigt, kurz vor dem zweiten Weltkrieg zählte die Schmuckindustrie noch 24.000 Beschäftigte. Am 23. Februar 1945 wurde durch einen alliierten Bombenangriff innerhalb einer halben Stunde die Pforzheimer Schmuckindustrie dem Erdboden gleich gemacht. Nach dem Krieg begann man mit vereinten Kräften den Wiederaufbau, und bereits 1953 war Pforzheim wieder Hauptlieferant der Welt für Schmuck und Silberwaren.
Schmuck und Uhren aus Pforzheim eroberten den Weltmarkt, so dass immer mehr Einkäufer den Weg in diese weltoffene Stadt fanden. Die Geschäftsanbahnung fand in den Hotels der Innenstadt statt, hier vor allem im Hotel Post am Leopoldplatz und im Hotel Ruf am Bahnhof. Kundenvermittler, die sogenannten „Tigerer“ belagerten die anreisenden Einkäufer und begleiteten diese direkt in das nahegelegene „Millionenviertel“, auch „Devisenviertel“ genannt, mit seinen vielen namhaften Schmuckfabriken.
In den letzten Friedensjahren vor dem Ersten Weltkrieg keimte die Idee einer eigenen ständigen Schmuckmesse in Pforzheim auf. Auf dem Grundstück schräg gegenüber vom Hotel Post am Leopoldplatz wurde ein sechsgeschossiges Geschäftshaus mit Lichtspieltheater erstellt. Es erhielt den Namen „Hansahaus“ – Symbol für die weltumspannende Bedeutung der ansässigen Schmuck- und Uhrenindustrie.
Mieter der im ersten Obergeschoss wurde die „Ständige Musterausstellung der Deutschen Schmuckwarenfabriken und verwandter Industrien“. Sie öffnete ihre Pforten zum ersten Mal am 1. Mai 1914 und musste kriegsbedingt bereits nach drei Monaten schließen.
Am 23. Februar 1921 erfolgte dann die Gründung der „Ständige Musterausstellung der deutschen Schmuckwarenfabriken und verwandter Industrien G.m.b.H“. Gegenstand der Gesellschaft war die Ausstellung der Erzeugnisse der Uhren- und Schmuckindustrie und die Werbearbeit für diesen Industriezweig. Die Schmuckmesse entwickelte sich in der Weimarer Republik stetig weiter, so dass die Betreibergesellschaft beschloss, sich baulich auf dem Nachbargrundstück an der Poststraße, das neu erworben wurde, zu erweitern. 1924 wurde ein Architekturwettbewerb ausgelobt, bei dem auch der Initiator Fabrikant Karl Scheufele im Preisgericht saß. Der Karlsruher Architekt Karl Schradin wollte hoch hinaus und fügte dem Erweiterungsbau einen expressiven Turm hinzu.
Am 23. Februar 1945, also exakt 24 Jahre nach dem Gründungstag der „Ständige Musterausstellung“, wurde das Hansahaus mit dem Industriehaus fast vollständig zerstört.
Gewaltige Anstrengungen waren notwendig, um die alte Stellung im Weltmarkt anknüpfen zu können. Hier sollte die „Ständige Musterausstellung“ abermals ihre Werbewirkung als „Schaufenster der wichtigsten Industriezweige der Goldstadt“ entfalten. Das Industriehaus wurde unter Wertschätzung der bestehenden Architektur behutsam, wenn auch baulich stark vereinfacht, wiederaufgebaut. 1971 beherbergte die „Ständige Musterausstellung“ in 267 Vitrinen die Erzeugnisse von rund 1000 Ausstellern aus ganz Deutschland. Diesen Erfolg verdankten die Unternehmer auch dem hervorragenden Fachpersonal, das an den hiesigen Schulen ausgebildet wurde: Die Goldschmiedeschule sowie die Kunst- und Werkschule.
Neue Impulse für das sanierungsbedürftige Industriehaus setzte die Sparkasse Pforzheim Calw mit der Idee eine „Erlebniswelt“ rund um Schmuck, Uhren, Edelmetalle, Edelsteine und Mineralien zu schaffen. Sie wollte dieses Wahrzeichen aber auf jeden Fall für die Goldstadt erhalten.
Leider zwangen Probleme der Statik und Bausubstanz die Bauherren zu einem Komplettabriss des Gebäudekomplexes und zum Neubau. Das Industriehaus und der Vorplatz wurden, unter der Regie des Architekten Peter W. Schmidt, in Anlehnung an die ursprüngliche Architektur nachgebaut, jedoch nicht rekonstruiert.
Die seit 2005 im Industriehaus etablierten „Schmuckwelten“ mit Museen, Ladenpassage und Gastronomie wurden zum Ort der Aktivitäten rund um die Traditionsindustrien. Der Nachfolger der „Ständige Musterausstellung“, ist die DEUTSCHE SCHMUCK UND UHREN GmbH Der Wandel von der reinen Musterausstellung für den Facheinkäufer hin zu einer einzigartigen Kombination aus Showroom und Verkaufszentrum für Jedermann ist vollzogen.
Im Jahr 2017 feierte die Goldstadt 250 Jahre Pforzheim. Bereits im September 2016 begann der Auftakt des Jubiläumsjahres. Mit über 350 Events an über 60 Locations wurde der Geburtstag der Goldstadt gefeiert. Höhepunkt war die Eröffnungsgala am 12. Und 13. Mai. Eine einzigartige 270-Grad-Multivisions-Show vereinte die Themen Schmuck, Uhren Design und Innovation. Dabei drehte sich die Show auch um die Zeitgeschichte, Mode und Design-Strömungen. Vor allem die Entwicklung der Traditionsindustrie hin zu neunen Technologien wurde thematisiert.