In Folge der hoheitlichen Gründung der Uhren- und Schmuckmanufaktur sorgten privatwirtschaftliche Initiativen für Expansion: Pforzheim wurde so zur „bedeutendsten Fabrikstadt der Markgrafschaft Baden“. Voller Respekt sprach man im Ausland auch von „Klein-Genf“.
Schmuck und Uhren aus Pforzheim eroberten den Weltmarkt, so dass immer mehr Einkäufer den Weg in diese weltoffene Stadt fanden. Die Geschäftsanbahnung fand in den Hotels der Innenstadt statt, hier vor allem im Hotel Post am Leopoldplatz und im Hotel Ruf am Bahnhof. Kundenvermittler, die sogenannten „Tigerer“ belagerten die anreisenden Einkäufer und
begleiteten diese direkt in das nahegelegene „Millionenviertel“, auch „Devisenviertel“ genannt, mit seinen vielen namhaften Schmuckfabriken.
1913 – damals zählte Pforzheim 75.000 Einwohner – waren in der Schmuck- und Uhrenindustrie fast 37.500 Personen beschäftigt. In den letzten Friedensjahren vor dem Ersten Weltkrieg keimte die Idee einer eigenen ständigen Schmuckmesse in Pforzheim auf. Auf dem Grundstück schräg gegenüber vom Hotel Post am Leopoldplatz wurde ein sechsgeschossiges Geschäftshaus mit Lichtspieltheater erstellt. Es erhielt den Namen „Hansahaus“ – Symbol für die weltumspannende Bedeutung der ansässigen Schmuck- und Uhrenindustrie.
Die Idee einer eigenen ständigen Schmuckmesse
Die Idee einer ständigen Schmuckmesse in Pforzheim wurde am 1. Mai 1914 das erste Mal unter Initiative von Emil Ratz realisiert – musste kriegsbedingt aber bereits nach drei Monaten schließen.
Das Hansahaus am Leopoldplatz um 1920
(Stadtarchiv Pforzheim)
Mieter im ersten Obergeschoss des Hansahauses wurde die „Ständige Musterausstellung der Deutschen Schmuckwarenfabriken und verwandter Industrien“. Sie öffnete ihre Pforten zum ersten Mal am 1. Mai 1914 und musste allerdings kriegsbedingt bereits nach drei Monaten schließen.
Die Ständige Musterausstellung
Am 23. Februar 1921 erfolgte dann die Gründung der „Ständige Musterausstellung der deutschen Schmuckwarenfabriken und verwandter Industrien G.m.b.H“. Gegenstand der Gesellschaft war die Ausstellung der Erzeugnisse der Uhren- und Schmuckindustrie und die Werbearbeit für diesen Industriezweig.
Die Gründung der „Ständige Musterausstellung“
Am 23. Februar 1921 erfolgte die Gründung der „Ständige Musterausstellung der deutschen Schmuckwarenfabriken und verwandter Industrien G.m.b.H.“ Sitz war zunächst das Hansahaus. Am 1. Oktober 1926 erfolgte die Einweihung des neu erbauten Industriehauses.
Das Hansahaus mit Industriehaus am Leopoldplatz um 1927
(Stadtarchiv Pforzheim-Verkehrsverein Pforzheim)
Die Schmuckmesse entwickelte sich in der Weimarer Republik stetig weiter, so dass die Betreibergesellschaft beschloss, sich baulich auf dem Nachbargrundstück an der Poststraße, das neu erworben wurde, zu erweitern. 1924 wurde ein Architekturwettbewerb ausgelobt, bei dem auch der Initiator Fabrikant Karl Scheufele im Preisgericht saß. Der Karlsruher Architekt Karl Schradin wollte hoch hinaus und fügte dem Erweiterungsbau einen expressiven Turm hinzu.
Die „Ständige Musterausstellung“
Die Ständige Musterausstellung war eine Erfolgsgeschichte und wurde zum Treffpunkt für Facheinkäufer der Schmuck- und Uhrenindustrie sowie verwandter Industrien der Luxusgüterbranche, wie Porzellan und schönes Gerät. Die Ausstellerfirmen kamen aus ganz Deutschland.
Das Industriehaus am Leopoldplatz um 1938
(Stadtarchiv Pforzheim- Foto Kropf)
Kurz vor dem zweiten Weltkrieg zählte die Schmuckindustrie noch 24.000 Beschäftigte. Am 23. Februar 1945, also exakt 24 Jahre nach dem Gründungstag der „Ständige Musterausstellung“, wurde das Hansahaus mit dem Industriehaus fast vollständig zerstört. Durch einen alliierten Bombenangriff wurde innerhalb einer halben Stunde die Pforzheimer Schmuckindustrie dem Erdboden gleich gemacht.
Der Luftangriff auf Pforzheim am 23. Februar 1945
Der Luftangriff am 23. Februar 1945 zerstörte exakt 24 Jahre nach Gründungstag der Musterausstellung das Hansahaus mit Industriehaus vollständig. Der Komplex brannte aus, die Konstruktion blieb jedoch weitgehend unversehrt. Glücklicherweise war die Ständige Musterausstellung zu dieser Zeit ausgelagert.
Das Industriehaus am Leopoldplatz um 1946
(Stadtarchiv Pforzheim- Foto Vogt)
Nach dem Krieg begann man mit vereinten Kräften den Wiederaufbau, und bereits 1953 war Pforzheim wieder Hauptlieferant der Welt für Schmuck und Silberwaren.
Hoffnungsvoller Wiederaufbau
Anfang 1947 wurde bereits mit dem Wiederaufbau begonnen. Gewaltige Anstrengungen waren notwendig, um nicht nur die Fabriken wieder zu errichten, sondern auch um an die alte Stellung im Weltmarkt anknüpfen zu können.
Das Industriehaus am Leopoldplatz um 1949
(Stadtarchiv Pforzheim- Foto Kropf)
Hier sollte die „Ständige Musterausstellung“ abermals ihre Werbewirkung als „Schaufenster der wichtigsten Industriezweige der Goldstadt“ entfalten. Das Industriehaus wurde unter Wertschätzung der bestehenden Architektur behutsam, wenn auch baulich stark vereinfacht, wiederaufgebaut.
Wiedereröffnung der „Ständige Musterausstellung“
Am 31. Oktober 1951 konnte die „Ständige Musterausstellung“ wiedereröffnet werden. Das Schaufenster der Deutschen Schmuck- und Uhrenindustrie sollte nicht nur statische Institution sein, sondern für die Produkte aus Pforzheim und Deutschland werben.
Das Industriehaus am Leopoldplatz um 1951
(Stadtarchiv Pforzheim- Foto Kropf)
1971 beherbergte die „Ständige Musterausstellung“ in 267 Vitrinen die Erzeugnisse von rund 1000 Ausstellern aus ganz Deutschland. Diesen Erfolg verdankten die Unternehmer auch dem hervorragenden Fachpersonal, das an den hiesigen Schulen ausgebildet wurde: Die Goldschmiedeschule sowie die Kunst- und Werkschule.
Entwicklung “Ständige Musterausstellung“
Die „Ständige Musterausstellung“ etablierte den guten Ruf der Produkte aus der Goldstadt und Deutschland nicht nur über die stationäre Messe sondern auch mittels Kataloge und Kundenkontakte. Sie war ein Wahrzeichen der Stadt Pforzheim mit internationaler Anerkennung.
Das Industriehaus am Leopoldplatz um 1982
(Stadtarchiv Pforzheim- Foto Schreiner)
Schmuckwelten
Neue Impulse für das sanierungsbedürftige Industriehaus setzte die Sparkasse Pforzheim Calw mit der Idee eine „Erlebniswelt“ rund um Schmuck, Uhren, Edelmetalle, Edelsteine und Mineralien zu schaffen. Sie wollte dieses Wahrzeichen – das Industriehaus mit Schmuckmesse – auf jeden Fall für die Goldstadt erhalten.
Leider zwangen Probleme der Statik und Bausubstanz die Bauherren zu einem Komplettabriss des Gebäudekomplexes und zum Neubau. Das Industriehaus und der Vorplatz wurden, unter der Regie des Architekten Peter W. Schmidt, in Anlehnung an die ursprüngliche Architektur, nachgebaut – jedoch nicht rekonstruiert.
Die Deutsche Schmuck und Uhren in den Schmuckwelten
Die Sparkasse Pforzheim Calw realisierte die Idee der Erlebniswelt rund um Schmuck und Uhren durch den Neubau des Industriehauses mit Ladenpassage, Museen, Aktionsflächen und Gastronomie.
Seit 2005 ist das neue Kompetenz- und Aktivitätszentrum für Schmuck, Uhren, Edelmetall, Edelstein, Mineralien und verwandter Industrien ein Publikumsmagnet.
Das Industriehaus mit den Schmuckwelten ab 2005
(Foto Sparkasse)
DEUTSCHE SCHMUCK UND UHREN GmbH – Ausstellung und Verkauf
Die seit 2005 im Industriehaus etablierten „Schmuckwelten“ mit Museen, Ladenpassage und Gastronomie wurden zum Ort der Aktivitäten rund um die Traditionsindustrien. Der Nachfolger der „Ständige Musterausstellung“, ist die DEUTSCHE SCHMUCK UND UHREN GmbH. Der Wandel von der reinen Musterausstellung für den Facheinkäufer hin zu einer einzigartigen Kombination aus Showroom und Verkaufszentrum für Jedermann ist vollzogen.